Im Grunde taten mir diese Rehe ja Leid… Eigentlich konnten sie nichts dafür, aber sie waren wohl mehr oder weniger zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Doch das Blut von Tieren zu nehmen und sich zu ernähren, war dann doch noch weitaus menschlicher als Menschen zu töten. Menschen töteten immerhin auch Tiere, um sich zu ernähren. Ob man es jetzt wegen des Blutes oder des Fleisches wegen tat, war doch eigentlich egal.
Dem Kadaver am Boden schenkte ich keine sonderliche Aufmerksamkeit mehr, als ich aufstand. Meine Kleidung richtete ich noch kurz und klopfte den überflüssigen Dreck ab. Es gab heute noch ein paar Sachen zu erledigen, bevor er heute seine Nachtschicht antreten würde. So schnell es mir möglich war lief zu unserem Haus zurück und verlangsamte das Tempo erst, als er sich der Straße näherte. Zwar verirrten sich nur selten Menschen hier hin, aber man wollte ja nicht auffallen.
Ich atmete gerade aus Gewohnheit ein, als mir eine Sache auffiel. Hier war ein Geruch, der nicht hier hingehörte. Es handelte sich definitiv um einen Vampir und ich kannte diesen Geruch nicht. Kurz verunsichert blieb ich stehen.
Es hatte auch niemand von Besuch gesprochen. Kurz holte ich mein Handy hervor und schrieb den anderen meiner Familie schnell, denn in dem Haus war gerade keiner. Entweder waren sie in der Schule, machten Ausflüge oder besorgten etwas. Das Wetter bot es auch regelrecht an.
Nur ich sollte hier sein…
„Erwartet einer von euch jemanden? Hier ist ein fremder Vampir - Carlisle“
Nachdem ich auch sicher war, dass die Nachricht auch wirklich raus gegangen war. Während ich das Handy wieder in meiner Tasche verstaute, ging ich los um die Quelle dieses Geruchs zu finden... Um den Vampiren zu finden.
Was mich so sehr verwunderte war die Tatsache, dass Alice nichts dergleichen erwähnt hatte. Als ich um die Ecke bog, sah ich den Fremden. Eine positive Sache hatte das ganze schon einmal. Er schien nicht zu den Volturi zu gehören, denn dafür war sein Kleidungsstil zu leger.
Auch er schien mich bemerkt zu haben, denn ich wurde augenblicklich von leuchtend roten Augen fixiert. Die Tatsache, dass er sich wohl Menschenblut ernährte, war sehr offensichtlich. Was mich eher beunruhigte war die Tatsache, dass er sich wohl einen- nennen wir es mal - Snack, auf den Weg hier hin genehmigt hatte. Andernfalls würde mir jetzt keine Erklärung einfallen, warum die Augen des Fremden so rot waren.
Auf einmal fiel mir ein, dass Alice jemanden erwähnt hatte… Und ihre Beschreibung passte ziemlich genau auf diesen „jungen Mann“. Er wirkte nahezu wie ein Teenager in seiner Kleidung und hatte sogar eine ähnliche Kleidung an, wie sie es beschrieben hatte. Soweit wie ich erkennen konnte, handelte es sich dabei um eine Jogginghose und eine Lederjacke.
Liam Avery… So sollte dieser laut Alice heißen und seine Absichten nicht sonderlich gut sein.
Doch durfte ich überhaupt schon so urteilen. Auch die Quileute waren anfangs nicht sonderlich positiv gesinnt gewesen ihm gegenüber, dennoch schafften sie es heute in Frieden zu leben und nicht nur das… Eigentlich gehörte einer schon fast zu seiner Familie.
Ich muss zugeben, dass ich sehr unschlüssig war, was ich tun sollte und ich hatte das Gefühl bereits seit Stunden nachzudenken. Ebenso war mir auch bewusst, dass es sich nur um Sekunden hat Handeln können.
„Kann ich Ihnen helfen?“, versuchte ich es so erst mal auf einem diplomatischen Wege. Ich lächelte den fremden hilfsbereit an. Vielleicht war er ja auch nicht aus dem Grund hier, welchen wir wohl alle befürchtet hatten.
Neben merkte ich wie mein Handy in meiner Tasche mehrmals kurz vibrierte. Ich musste gar nicht auf mein Handy schauen, um die Antwort zu kennen.
Diesen Besuch hatte niemanden erwartet.
Aber wenigstens wussten alle Bescheid.